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Haftpflicht: Der verflixte Zeitwert

29.06.2023 von Mathias Baur; Foto: Adobe Stock - Kzenon

Die Haftung oder auch die Schadenersatzpflicht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. § 823 regelt sie. Und in der Praxis führt genau das immer wieder zu Diskussionen. Wir nehmen einen aktuellen Schadenfall zum Anlass. Was ist passiert? Ein Auto stand auf einer leicht abschüssigen Einfahrt, war nicht richtig gesichert und rollte gegen die Hausmauer. Selbige wurde an der Ecke beschädigt. Die Folge: rund 3.300 EUR Schaden für Verputz- und Malerarbeiten.

Alles klar? Nicht wirklich

Alles klar, das dachte sich zunächst auch die Geschädigte. Ein fremdes Auto rollte gegen ihre Hausmauer und beschädigte die Mauer. Klare Sache: der Fahrer des Autos bzw. dessen Kfz-Haftpflicht kommt für den Schaden vollumfänglich auf. Strittig ist die Haftung hier nicht. Unser Kunde ist hier schuld und bestreitet seine Schuld auch nicht.

Das große "Aber" kommt noch, denn wir bewegen uns mit der Haftpflicht im Bereich der Schadenersatzpflicht. Und hier kommt eben der Zeitwert ins Spiel. Die Mauer insbesondere der Anstrich waren nicht mehr neu. Und genau diese Tatsache verursacht einen Abzug.

Der Schaden ist also so wiederherzustellen, wie er unmittelbar vor Eintritt des Schadens war. Da war die Hausmauer und deren Anstrich zwar intakt, aber eben nicht mehr neu. In unserem Fall um die 8 Jahre alt. Warum nimmt man jetzt beim neuen Anstrich einen Abzug vor? Einerseits ist es relativ simpel, andererseits ärgerlich für den Betroffenen. Man unterstellt, dass man eine Hausmauer alle 20 bis 25 Jahre neu streicht. Denn irgendwann verliert die Farbe ihren Glanz, Schmutz setzt sich fest, etc. Die Farbe nutzt sich über die Jahre ab, wenn man das so sagen will. Jetzt ist die Mauer neu gestrichen worden. Die Maßnahme wurde nun vorgezogen. Gehen wir davon aus, dass die Mauer alle rund 25 Jahre neu gestrichen wird. Der letzte Anstrich war vor 8 Jahren. Der nächste Anstrich wäre also in ungefähr 17 Jahren geplant gewesen. Da nun bereits gestrichen wurde, fällt der nächste Anstrich erst wieder in ca. 25 Jahren an. Die Maßnahme wurde damit vorgezogen.

"Aber ich kann doch nichts für den Schaden"

Richtig, für den Schaden kann die Geschädigte in diesem Fall nichts. Doch das steht auch nicht zur Debatte. Auch wenn man den Abzug als unfair empfindet, eben weil man selbst nichts dafür kann, lässt sich an der Sache an sich nichts ändern. Der Anstrich war eben nicht mehr neu. Alter, Gebrauchsspuren, Abnutzung, etc. werden beim Umfang des Schadenersatzes immer mit berücksichtigt.

So verhält es sich bspw. auch bei Smartphones oder Brillen. Beschädigte ich jemand Dritten die Brille bin ich zum Ersatz verpflichtet. Doch Faktoren wie eine mögliche Sehstärkenveränderung, Abnutzung und Alter werden in Abzug gebracht. Auch ein beschädigtes Smartphone das drei Jahre alt ist, wird "nur" noch zum Zeitwert ersetzt.