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Nachhaltige Kalkulation - faire Prämien

31.08.2023 von Mathias Baur

Manchmal versteht man die Welt tatsächlich nicht mehr. Ich hatte soeben den Versicherungsschein zu einer Kfz-Versicherung auf dem Bildschirm den mir ein Kunde per E-Mail zugsendet hat. Alles klar soweit, ich rechne ein Vergleichsangebot. Bei der Berechnung dann schon fast ein kleiner Schock. Differenz tatsächlich fast 50 Prozent. Prämie bei mir (ohne Nachlässe) 1.792,46 Euro oder 1.444,48 Euro, je nach Tarif. Jahresbeitrag des Mitbewerbers aktuell knapp 915 Euro. Wenn man so etwas sieht, versteht man die Welt manchmal wirklich nicht mehr.

Wie kommt es zu solchen Unterschieden?

Ganz ehrlich. Ich kann es nicht wirklich beantworten. Das es Unterschiede von 10, 20, 30 Prozent und in bestimmten Konstellationen sogar noch etwas mehr geben kann, ist normal. Und in bestimmten Fällen, wenn ein paar zuschlagspflichtige Tarifmerkmale aufeinandertreffen, kann es auch mal zu mehr als 50% Preisdifferenz führen. Aber in diesem Fall ist eben alles "normal", keine Besonderheiten, etc. Da kann eigentlich nur noch jemand am Tisch sitzen, der ausschließlich über den Preis verkauft. Das mag eine Geschäftsphilosophie sein aber mit nachhaltiger Kalkulation hat es nichts mehr zu tun. Denn zum Glück sind Zahlen und mathematische Grundsätze noch überall gleich. Und vielleicht gehört es auch mal erwähnt, dass es kaum eine Branche gibt, die sich gegenseitig so stark zu unterbieten versucht wie die unsere. Natürlich ist Wettbewerb gut, natürlich spielen Preise für eine Ware oder Dienstleistung eine Rolle. Und natürlich achtet, gerade in der heutigen Zeit, jeder auf seine Ausgaben und vergleicht auch mal Preise. Nur eines muss bedacht werden: jede Ware und jede Dienstleistung hat einen Gegenwert. Dieser Gegenwert muss auch bezahlt werden, damit das eigene Geschäft, die eigene Branche und der eigene Betrieb auf Dauer überleben kann. Wer das nicht begreift oder regelmäßig mit Kampfpreisen um Kunden buhlt, zerstört sich selbst die Geschäftsgrundlage.

Wie nachhaltig sind über 50% Preisunterschied?

Um es kurz zu sagen: gar nicht. Die Rechnung geht maximal solange auf, wie es keine nennenswerten Schäden gibt. Nur ein Versicherer muss jeden Tag damit rechnen, dass seine Kunden Schäden verursachen oder darin verwickelt werden und sich daraus ein Leistungsanspruch ergibt. Und solange es einmal eine Kleinigkeit war, mag das auch noch alles gut gehen. Sind es aber mehrere Kleinigkeiten oder gar mal ein großer Schaden, dann gerät die Kalkulation ordentlich ins Wanken. Die Folge kann dann schon mal eine durch den Versicherer ausgesprochene Kündigung sein. Nach einer vom Versicherer ausgesprochenen Kündigung einen neuen Versicherer zu finden kann auch problematisch werden, da es hier meistens schon zu Zuschlägen oder gar Ablehnungen kommen kann. Billig geht immer nur einen bestimmte Zeit lang gut. Auf Dauer wird es dem jeweiligen Vermittler und auch dem Kunden krachend auf die Füße fallen.

Nicht zu vergessen ist auch, dass vom Beitrag noch diverse Positionen abgezogen werden müssen. Dazu zählt als erstes die Versicherungssteuer, die Provision für den Vermittler, Betriebskosten (für Mitarbeiter, IT, Marketing, etc.) oder irgendwo möchte ein Unternehmen am Endes des Tages auch Gewinn erwirtschaften. Und natürlich muss das Risiko selbst auch irgendwo im Beitrag widerspiegelt werden.

Gibt es für uns eine Schmerzgrenze?

Ja, die gibt es definitiv. Ein Beispiel ist eben genau der oben geschilderte Fall. Hier brauchen wir uns gar nicht weiter befassen. Wenn wir hier tatsächlich ein Angebot unterbreiten würden und den Preis soweit nachlassen würden, dass der Kunde sein "OK" gibt, dann müssten wir uns sprichwörtlich bis auf die Unterhosen ausziehen. Nach 16 Jahren in diesem Job weiß ich...

  1. dass ich jedes Jahr über den Preis mit anderen verglichen werde.
  2. dass es einen "billigeren" geben wird (es gibt jedes Jahr einen Versicherer oder irgendeinen Anbieter der die Sau durchs Dorf treibt) und dann liegt die Kündigung am Tisch. Ich müsste also jedes Jahr meinen eigenen Preis unterbieten.
  3. dass das kann langfristig nicht wirtschaftlich sein wird, da Schäden immer teurer werden und die Prämien sich eigentlich nach oben statt nach unten entwickeln müssten.
  4. dass auch die Kosten unserer Agentur (Mitarbeiterlöhne, IT, Lizenzgebühren, Fahrzeuge, Ausbildung, Weiterbildung, Energie, etc.) jedes Jahr durch Inflation & Co. steigen und ich nur über Provision einen Ausgleich schaffen kann. Reduziere ich jedes Jahr die Prämien, reduziere ich auch unsere Provisionserlöse.
  5. dass es irgendwann einfach Preise sind, die den Markt kaputt machen und einfach nicht mehr zu vertreten sind.

Wenn wir für uns selbst feststellen, dass es schlicht kein gerechter und fairer Preis mehr ist, steigen wir auch aus. Wir sind ein Betrieb der einigermaßen wirtschaftlich denken und handeln muss. Wenn wir allerdings Nachlässe jenseits der 50 Prozent geben müssen ist es nun einmal nicht mehr wirtschaftlich, auf Dauer nicht nachhaltig und wird dem Risiko auch nicht mehr gerecht. Es mag Marktakteure geben die mehr oder weniger ausschließlich über den Preis agieren. Schauen wir mal, wer in 20 Jahren noch am Markt aktiv ist.