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Trunkenheitsfahrt: Keine Strafe, aber „Idiotentest“?

04.05.2022 von verpd

Eine Fahrerlaubnisbehörde darf einen Fahrzeugführer selbst dann wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zum Beibringen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung nicht geahndet worden ist. Das hat das Bundes-Verwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 7. April 2022 entschieden (3 C 9.21).

Dem Kläger war im Jahr 2008 wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkohol-Konzentration von 1,4 Promille vorübergehend die Fahrerlaubnis entzogen worden. Nachdem er ein Jahr später erneut erwischt wurde – dieses Mal hatte er 1,48 Promille im Blut – erhielt er die Fahrerlaubnis erst nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) zurück.

Gelöschte Akte

Einen Lerneffekt hatte die im Volksmund „Idiotentest“ genannte Maßnahme aber offenkundig nicht. Denn als der Mann 15 Monate später unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, ergab eine ihm entnommene Blutprobe eine Blutalkohol-Konzentration von 1,04 Promille.

Ein daraufhin gegen ihn eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde trotz allem eingestellt und die Sache an die Bußgeldstelle übergeben.

Was danach geschah und ob gegen den Betroffenen ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren eingeleitet wurde, blieb im Dunkeln. Denn als ihn die Fahrerlaubnisbehörde 20 Monate nach dem letzten Vorfall erneut zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufforderte, hatte die Bußgeldstelle die Akte bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht.

Der Kläger dachte jedoch nicht daran, sich abermals dem Prozedere eines „Idiotentests“ zu entziehen. Er zog daher gegen die Behörde vor Gericht. Dort behauptete er, dass er wegen des letzten Vorfalls nicht bestraft worden sei. Zur Vorlage eines Gutachtens könne er aber allenfalls dann verpflichtet werden, wenn ein Verstoß straf- oder bußgeldrechtlich geahndet worden sei.

Erfolglose Revision

Dieser Argumentation schloss sich das in erster Instanz mit dem Fall befasste Verwaltungsgericht Neustadt an. Es gab der Klage statt. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hielt die Klage hingegen für unbegründet. Der Autofahrer legte daher Revision beim Bundes-Verwaltungsgericht ein. Damit hatte er keinen Erfolg.

Nach Ansicht des Revisionsgerichts ist in bestimmten Fällen von einer Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss auszugehen.

Dies trifft zu, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Trunkenheitsfahrt Ordnungswidrigkeits-rechtlich nicht geahndet worden ist, „es aber mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat und sie in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar ist.“

Diese Voraussetzungen seien in dem entschiedenen Fall erfüllt worden. Der Betroffene sei daher zu Recht dazu aufgefordert worden, zur Klärung von Eignungszweifeln hinsichtlich seiner Alkoholproblematik im Sinne von § 13 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen.